Praktikum 1 - Stephan Harder

Praktikum 1 - Stephan Harder

Meine Praktikumsreise startet im Wendland bei Stephan Harder. Als ich am Montagmittag ankomme, bekomme ich den Hof gezeigt und richte mich in der Gästewohnung gegenüber ein. Die urige Wohnung im Shabby-Chic-Stil liegt direkt an der Elbe und gehört Stephans Familie seit Generationen.

Am Abend ziehen wir zusammen mit dem benachbarten Bauern und dessen Traktor mehrere Baumstämme aus einem Knick nahe der Elbe und laden sie auf einen Anhänger. Stephan sammelt und trocknet sein Holz selbst. Er verwendet für seine Möbel keine Ware von der Stange.
Während meiner zwei Wochen hier soll ein Couchtisch aus Kirsche mit einer durchgehenden Schublade entstehen.

Am nächsten Morgen fangen wir an, aus Stephans Holzlager die passenden Bohlen zusammenzusuchen. Wir finden zwei Bohlen, aus denen die Tischplatte sowie zwei der Zargen werden. Zusätzlich brauchen wir noch Holz für die anderen beiden Zargen, die Beine und die Schublade.

Als wir alles zusammenhaben, machen wir uns die ersten Gedanken, wie wir am besten die Tischplatte zusammensetzen. Nach zwei groben Schnitten mit der Motorsäge folgt das Hobeln und genauere Zusägen mit der Tischkreissäge. Das Holz ist alles andere als einfach zu bearbeiten. Die Bohlen sind krumm und verdreht und weisen viele Imperfektionen auf. Doch genau das macht Stephans Möbel besonders.

Es braucht seine Zeit, bis alles in brauchbare Stücke gesägt und gehobelt ist. Herauszufinden, wie diese Stücke nun eine einheitliche Tischplatte bilden, bedarf ebenfalls sehr viel Zeit. Aus den zwei Bohlen sind vier Stücke für die Tischplatte entstanden. Jedes hat eine Vor- und Rückseite und kann längs um 180 Grad gedreht werden. Die Möglichkeiten scheinen endlos! Wir achten sehr genau darauf, dass die Übergänge zwischen den Stücken so sauber wie möglich sind. Helle an dunkle Stellen zu legen gilt es zu vermeiden, die Maserung darf so gut wie möglich ineinander übergreifen. Nachdem wir uns entschieden haben, verleimen wir die Stücke.

Die Platte ist wegen des großen Einwuchses noch sehr instabil. Dennoch sägen wir die Enden einheitlich ab. Die Löcher auf der späteren Oberseite kleben wir mit Klebeband ab und gießen die erste Schicht Epoxidharz. Diesen Prozess wiederholen wir über die nächsten Tage, bis alle Löcher geschlossen sind.

Zeitgleich fertigen wir die Zargen und Beine. Das Hobeln der Beine übernehme ich. Zuerst wird eine Seite abgerichtet, dann ein rechter Winkel hergestellt. Die anderen beiden Seiten werden durch einen Parallelschnitt angeglichen. Mit dem Dickenhobel werden die Stücke auf ihr finales Maß gebracht. Die Tischbeine werden zusätzlich verjüngt. Vor dem Domino-Fräsen werden alle Einzelteile zusammengestellt und mit einem Dreieck versehen, damit wir später die Orientierung nicht verlieren. Da die Zargen 6 mm nach innen versetzt sein sollen, passe ich den Abstand vor dem Fräsen der Zapflöcher in den Tischbeinen an. Leider realisiere ich erst nach dem ersten Loch, dass die Nummern auf der Einstellung nicht Millimetern entsprechen. Wir verschließen das Loch mit einem Zapfen. So können wir den Fehler problemlos beheben. Dann verleimen wir das Tischgestell.

In das Tischgestell schrauben wir die Führungsschienen für die Schublade ein, die wir mit der gleichen Technik zusammensetzen. Um die Schrauben abzudecken, drechsle ich Holzstifte aus Mooreiche. In einen Klotz Restholz bohre ich ein kleines Loch und spitze den ca. 20 cm langen Mooreiche-Verschnitt an, sodass er gut im Klotz steckt. Dann spanne ich meine Konstruktion in die Drechselmaschine ein. Es funktioniert super, doch ich hätte mir beim Anspitzen mehr Mühe geben sollen, um das Ganze besser zu zentrieren. So schlingert die eine Seite recht stark.

Den fertigen Stift hämmere und leime ich in die Löcher und säge ihn dann so knapp wie möglich ab.

Alles bekommt seinen finalen Schliff. In der Tischplatte füllen wir immer wieder kleine Löcher mit Fünf-Minuten-Epoxy auf. Die Platte erhält ihr finales Maß, zudem bekommt sie einen leichten Unterschnitt und alle Kanten werden gefast. Vor dem ersten Ölen wässern wir die Tischplatte, sodass sich die Fasern aufstellen. Nachdem die Platte wieder getrocknet ist, wird sie ein letztes Mal geschliffen.

Beide Teile verbinden wir mit Zargenklötzen. Schon vorher habe ich mit der Lamellen-Fräse Schlitze von innen in die Zargen gefräst. Die Klötze haben einen kurzen Steg. Durch das Verschrauben der Klötze an die Platte wird diese an die Zargen gepresst. Tischplatte und Gestell sind fest miteinander verbunden. Durch Veränderungen in Temperatur und Luftfeuchtigkeit kann das Holz sich ausweiten oder zusammenziehen. Diese unermessliche Kraft des Holzes kann durch diese Konstruktion dem Tisch nichts anhaben.

Der Schublade fehlen zwar noch die Knäufe, doch der Tisch ist nun im Sinne meines Praktikums nach anderthalb Wochen fertig.

Den Donnerstag verbringe ich deshalb mit meinem „Praktikantenstück“. Ich möchte eine Verbindung zwischen den verschiedenen Praktikumsstellen herstellen und meine erlernten Fähigkeiten der nächsten Stelle präsentieren. Jeder wird ein Geschenk erhalten und eins mitgestalten. Stephan wird sein Geschenk erst nächstes Jahr im Juli erhalten und den Kreis schließen.

Mit Stephan zusammen suche ich passendes Holz. Wir entscheiden uns für Birne und Birke. Ich hoble und säge die Stücke eigenständig auf das gewünschte Maß, leime sie zusammen und bearbeite sie anschließend noch einmal im Dickenhobel. Löcher fülle ich wieder mit Epoxy auf, dann schleife, fase und öle ich das Brett. Am nächsten Tag schraube ich die Klemme an.

Am Freitag fahren wir noch zum Sägen. Peter ist eigentlich schon im Ruhestand, sägt trotzdem noch für Bekannte Holz und ist ein noch größerer Holzfanatiker und Sammler als Stephan. Auf seinem Hof stapeln sich Holzstämme, Bretter und vieles mehr. In einer Ecke steht sein Pickup-Truck, und unter den Überdachungen stehen mehrere Drechselbänke. Man könnte meinen, man wäre in Nordamerika. Mit dem Bagger hebt er die Stämme vom Anhänger, dann einen nach dem anderen auf die Schienen der Säge, auf der die Stämme fixiert werden. Bohle für Bohle fährt er mit der Säge durch die Stämme, bis wir am Ende wieder einen Anhänger voller Holz haben.

Die zwei Wochen bei Stephan waren sehr einsichtsreich. Ich konnte den kompletten Ablauf vom Holzstamm bis hin zum fertigen Produkt miterleben, viel lernen und mitgestalten. Ich möchte Stephan für sein Vertrauen und seine Bereitschaft danken. Anne und Stephan danke ich aus vollem Herzen für ihre unvergleichbare Gastfreundschaft!

Stephans Arbeit findet ihr unter www.stephan-harder.de.


© 2025 Chester Looks. All rights reserved.


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